Tag 27: Fort, Gefängnis, politischer Brennpunkt

Alcatraz ist für uns und wahrscheinlich für die meisten bekannt als ein ehemaliges Hochsicherheitsgefängnis. Dies war Alcatraz aber nicht immer. Heute besuchen wir diese hochspannende Insel und tauchen ein in ein interessantes Stück Geschichte der Westküste der U.S.A.

Als wir heute um 4:00 Uhr morgens aufstehen, ist aber noch nicht klar, ob wir überhaupt Tickets für einen Besuch von Alcatraz erhalten. Wir machen uns jedoch Hoffnungen und um 4:40 Uhr auf Richtung Pier 33. Kurz nach fünf kommen wir an und werden sogleich von einem sehr gesprächigem Alcatraz-Tours-Mitarbeiter an unseren rechten Platz in der Schlange geleitet. Wir sind beruhigt, nur sieben Personen vor uns zu haben. Die ersten beiden sind offensichtlich echte Profis für diese Situationen und sehen sich komplett ausgestattet, in Decken gehüllt, auf ihren Campingstühlen sitzend und Chips knabbernd einen Film auf ihrem Laptop an. Von uns dreien friert nur Nicolas in seinem Kinderwagen nicht. Auch beneiden wir ihn, da er einfach weiterschlafen kann. Anja und ich erwarten dagegen nicht nur das Öffnen des Schalters, sondern auch den Aufgang der Sonne, um etwas aufzutauen.

Um 7:30 Uhr öffnen die Kassen und wir kaufen unsere ersehnten Gefängnis-Tickets für die erste Fähre um 8:45 Uhr. Nun können wir in Ruhe im Café nebenan frühstücken, aufwärmen, Nicolas stillen und wickeln und uns schon mal nach Souveniers umschauen. Die Fähre fährt pünktlich ab und 20 Minuten später landen wir dort, wo bis in die sechziger Jahre alle neuen Gefangenen wie zum Beispiel Al Capone ankamen. Nicolas haben wir in seinem Kinderwagen dabei, was, wie wir merken, genau die richtige Wahl war. Erst holt er den Schlaf des Morgens nach, dann kann er sich sehr gut umschauen.

Auf der Insel empfängt uns ein Ranger (Alcatraz ist ein Nationalpark, die America The Beautiful Jahreskarte bringt uns jedoch keinen Preisnachlass) und klärt uns in launiger Weise über die Verhaltensregeln auf der Insel auf (kein Essen, nur Wasser trinken, Raucherzone) sowie die zur Verfügung stehenden Informationsquellen. So gibt es einen Audio-Guide für den Rundgang, eine Ranger-geführte Tour, einen Film, kleine Museen und regelmäßige Vorträge verschiedener Ranger zu unterschiedlichen Themen.

Wir wählen den englischen Audio-Guide, der, wie uns gesagt wird, schon ein paar Preise erhalten hat, und gehen los. Der Guide ist tatsächlich sehr gut. Es gibt einen Haupterzähler, sowie je drei ehemalige Wärter und Insassen, die an der entsprechenden Stelle Anekdoten dazugeben. Sowohl Alltägliches als auch Einmaliges wie Fluchversuche und Aufstände werden uns auf sehr unmittelbare Weise vermittelt, während wir von Stockwerk zu Stockwerk, Raum zu Raum und Zelle zu Zelle gehen.

Zwischendurch hören wir auch zwei Vorträge. Einer demonstriert das laute, metallene Geräusch der sich öffnenden und schliessenden Zell-Türen, was es für die Gefangenen bedeutete und wie die Mechanik dahinter funktioniert. Dieser beeindruckende Klang wurde auch in vielen Filmen, wie Star Wars und Jurassic Park verwendet. Der zweite Vortrag beschreibt den einzigen Fluchtversuch, bei dem die Flüchtlinge nicht wieder eingefangen oder auf der Flucht erschossen werden konnten. Sehr spannend und sehr  gut ausgeklügelt und vorbereitet von den Fliehenden (bis auf dass einer Nicht-Schwimmmer war…)!

Die Insel Alcatraz war aber nur 29 Jahre Ort eines Hochsicherheitsgefängnis. Bevor dieses errichtet wurde, stand hier zur Zeit des Goldrausches ab 1850 ein Fort, das kurz vor der Jahrhundertwende zu einem Militärgefängis umgebaut wurde. Dieses wurde dann 1934 zum allgemeinen Gefängnis umgebaut, um schließlich aus Kostengründen (und weil mittlerweile eine andere Form des Strafvollzugs anerkannter war) geschlossen zu werden.

Danach wurde der Insel erstmal wenig Aufmerksamkeit geschenkt, bis es 1969 nochmal spannend wurde und Alcatraz medienwirksam von einer Gruppe entschlossener Indianer besetzt wurde. Schnell wuchs die Gruppe stammesübergreifend an und wurde zur größten gemischten Versammlung, die es unter den Ureinwohnern Amerikas je gab. Die Absicht der Besetzer war es, das ehemalige Land der Indianer wieder zum rechtlich anerkannten Stammesgebiet zu machen, vor allem damit das Erste, das in der Bucht ankommende Schiffe sähen, das Land nativer Amerikaner sei. Zwei Jahre dauerte die Situation an und die US Regierung musste sehr viele juristische Winkelzüge unternehmen, um am Ende Oberhand zu behalten. Nichts desto trotz hat sich dadurch die Wahrnehmung der Native Americans in den USA nachhaltig verbessert. 

Wir sind sehr lange auf Alcatraz, doch als wir alles spannende gesehen haben, wir durch die Gärten gewandelt sind und unser Proviant aufgebraucht ist, treten wir am frühen Nachmittag die Rückreise an. Wenn man sich länger als einen Tag in San Francisco aufhält, sollte man nach unserer Meinung Alcatraz auf keinen Fall verpassen. Die Mitnahme eines Kindes ist überhaupt kein Problem. Wir empfehlen allerdings entgegen der Aussage vieler Reisführer nicht erst eine Woche, sondern und vor allem an Wochenenden eher zwei Wochen vorher, Tickets zu reservieren.

Am Pier 33 angekommen verbringen wir den Rest des Nachmittags in Fisherman’s Wharf, wo wir uns die Touristenshops anschauen und länger bei den Seelöwen bleiben, die sich traditionell in Fisherman’s Wharf sonnen. Da wir recht hungrig sind, essen wir im Boudin, einer sehr großen und stylischen Bäckerei, in der Brote und Semmeln in Körben unter Decke Seilbahn fahren.

Auf dem Weg nach Hause kommen wir noch an einer der Dreh-Plattformen der Cable-Cars vorbei. Hier drehen Fahrer und Kontrolleur zu zweit die Bahn von Hand um 180° und machen sie so bereit für die Rückfahrt. Zuhause angekommen fallen wir alle drei ob des langen Tages totmüde ins Bett.

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