Tag 30: Zu Gast bei den oberen Zehntausend

Reiche Menschen sind schrullig, arme Menschen einfach verrückt. William Hearst war wohl alles davon, nur nicht arm. Wir besuchen heute spontan das Hearst Castle, fahren weiter ins überraschend schöne Santa Barbara und verbringen unsere letzte Nacht in Amerika.

Am Morgen wachen wir in unserem Motel auf, das überraschenderweise mit Meerblick aufwartet, was wir bei der gestrigen Ankunft im Dunkeln nicht würdigen konnten. Zu anderen Jahreszeiten kann man hier Wale sehen, steht auf den Werbezetteln im Zimmer, im September sieht man nur Wasser.

Wir fahren noch an einigen sehenswerten Buchten und Klippen entlang, bevor wir das Ende des Big Sur Nationalparks erreichen, und der Küsten-Highway zwar immer noch schön weitergeht, aber nicht mehr mit so dramatischer Szenerie.

Schließlich kommen wir zum Hearst Castle. Eine Attraktion, die mehrere Stunden Fahrt von den beiden großen Städten Los Angeles und San Francisco entfernt liegt, die aber jedes Jahr hundertausende von Besuchern anzieht. Wir haben ehrlicherweise erst im Reiseführer davon gelesen und beschliessen mal vorbei zu schauen.

Es stellt sich heraus, dass das Hearst Castle nur mit Führung ($25 pro Person inkl. IMAX Film) erlebt werden kann und wir durch Zufall so ankommen, dass wir vor der nächsten Vorführung gerade noch Nicolas füttern und wickeln können. Für die nächsten Stunden tauchen wir ein in die uns vorher völlig unbekannte Welt des William Hearst und des Hearst Castle.

Es beginnt mit dem IMAX Film, in dem wir erfahren, dass William Hearsts Vater einer der Goldgräber war, die Mitte des 19. Jahrhundersts zu tausenden nach Kalifornien kamen. Er fand kein Gold, aber Massen an Silber und wurde mit 40 einer der reichsten Männer Amerikas. Davon kaufte er sehr viel Land. Vieles verkaufte er wieder mit großem Gewinn, ein paar Gebiete behielt er jedoch, so den Küstenstreifen, auf dem Hearst Castle steht. Der junge William reiste dann mit seiner Mutter als zehnjähriger für 18 Monate durch Europa und war von den Burgen, Schlössern und Kirchen in Schottland, England, Deutschland, Italien und Spanien so beeindruckt, dass er als erwachsener Mann und Multimillionär mit 60 Jahren anfing, das Land, das er von seinem Vater geerbt hatte, im Stile dieser Vorbilder zu bebauen. Das Ergebnis ist Hearst Castle. Beeindruckend sind vor allem drei Dinge an dieser Anlage: die Anlage selber, die importierten Tiere, die im Umland der Anlage lebten und die Besucher, die nach Hearst Castle kamen.

Die Anlage selber, die wunderschön auf der Spitze eines Hügels gelegen ist, wurde ständig auf-, ab- und umgebaut und ist nie fertig gestellt worden. Was aber fertig ist, zeugt von dem Charakter eines amerikanischen Kosmopoliten, der in den goldenen Zwanzigern sich und seine zahlreichen und namhaften Gäste beeindrucken möchte. Alles ist mehr oder weniger im mediaterranen Stil gehalten, so ist das Haupthaus von außen einer katholischen Kirche nachempfunden, wobei die Türme eine Kopie der Kirchtürme der Kirche aus Ronda sind, einer schönen Stadt in Andalusien, an die Anja und ich sehr positive Erinnerungen haben. Die Innenausstattung stammt aus europäischen Kirchen und staatlichen Einrichtungen. So ist der Banketsaal ringsherum mit einem Chorgestühl ausgestattet und hat eine sakrale Kassettendecke und im Billardsaal sind die Wände mit arabischen Kacheln verziert. Diese Originalausstattung hat Hearst nach dem 1. Weltkrieg klammen Gemeinden günstig abkaufen können. 

Zur Anlage gehören zusätzlich Gästehäuser, ein antik-römisch verzierter Swimmingpool, von dem aus man den Pazifik sieht, und ein Hallenbad geeignet für römische Kaiser. Auf dem Berg um Hearst Castle herum wurden importierte Tiere gehalten. Giraffen, Löwen, Eisbären und viele andere exotische Tiere, unter anderem aus deutschen Zoos, lebten hier neben einheimischen Pferden. Die Nachfahren der damals eingeführten Zebras grasen heute noch auf dem Berg.

Schließlich beeindruckt die Gästeliste von Hearst Castle. Da Hearst seine geerbten  Millionen durch ein Verlagsimperium von mehr als 70 Zeitungen und Magazinen (z.B. Cosmopolitan) und Filmfirmen in Hollywood vergrößert hat und da er auch mal für die Präsidentschaft kandidierte, kannte er alles und jeden, der im Amerika der zwanziger Jahre in Film, Funk, Fernsehen, Sport und Politik Rang und Namen hatte: Der damalige Bürgermeister von New York wurde genauso auf Hearst Castle eingeladen, wie Cary Grant, David Niven, Walt Disney und Charlie Chaplin, der keine Einladung mehr brauchte und von manchen der ‚Hofnarr von Hearst Castle‘ genannt wurde.

Da hier Essen heutzutage nicht mehr erlaubt ist und wir auch weiter wollen, machen wir uns am Nachmittag auf, zurück zum Auto und fahren den Highway Nr.1 weiter bis nach Santa Barbara.

Die ehemalige Missionsstadt bietet nicht nur eine sehr schön restaurierte Mission aus dem frühen 19. Jahrhundert, sondern wurde nach der Zerstörung durch ein schweres Beben 19?? bewusst im mexikanischen Stil wieder aufgebaut. Das Stadtbild aus eher niedrigen, weißen Häusern ist sehr hübsch und lädt zum entspannten Verweilen ein. Dazu kommt ein langer Strand mit einem netten, nur minimal touristischen Pier. Wir sind positiv überrascht von Santa Barbara und nach einem kurzen Schlendern über den Pier fahren wir weiter Richtung LA, um kurz hinter Santa Barbara in unserem letzten Motel in den USA zu übernachten.

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